In schwierigen Zeiten suchen wir auch bei Texten verschiedenster Art Trost. Wir bieten Ihnen hier Geschichten, Gedichte und aufmunternde Texte an.
Viel Freude beim Lesen!
7 Wochen ohne
Die Passionszeit ist traditionell eine Zeit, in der wir über uns, unsere Laster, Abhängigkeiten und schlechten Angewohnheiten nachdenken. Was bereitet uns Stress, was lenkt uns vom Wesentlichen ab, was behindert uns in unseren Beziehungen zu Gott, zu uns selbst, zu unseren Mitmenschen.
Die Idee, 7 Wochen darauf zu verzichten, was uns ein wenig «fasten» abverlangt, zu verzichen zu unserem ganz persönlichen Gewinn, ist nicht neu und doch jedes Jahr aufs Neue eine Herausforderung und brandaktuell.
Ich würde dieses Jahr sehr gern auf Videokonferenzen verzichten, eine Idee, die ganz neu entstanden ist, aber leider auch eine, die ich nicht werde umsetzen können.
Ich habe mich an Reinhold Niebuhr erinnert:
“Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.”
In diesem Sinne habe ich beschlossen, auf all den Groll und die schlechte Laune zu verzichten, wenn ich an Videokonferenzen und andere aktuelle Massnahmen denke. Ich ändere damit nichts, zumindest nicht allein, mit einer verdrossenen Art an diese Dinge heranzugehen. Ich mache nur mirund anderen das Leben sauer.
7 Wochen ohne Verdrossenheit, das nehme ich mir vor. Mal sehen, wie weit ich komme.
Kristin Lamprecht
Angesagt statt Abgesagt
Abgesagt!
Heißt es wieder.
Abgesagt!
Ist wieder angesagt.
Abgesagt!
Die Feiern, die Feste,
die Besprechungen,
die Versammlungen,
die religiösen Angebote …
Nicht abgesagt!
Die Hoffnung,
dass wir es
auch diesmal schaffen.
Nicht abgesagt!
Die Liebe und Nähe,
die trotz allem Abgesagten
zwischen uns fließen kann.
Peter Schott, In: Pfarrbriefservice.de
In schweren oder schwierigen Zeiten?
Anfang März gingen wir mit unserer Rubrik «Kirche in Corona-Zeiten» aufs Netz. Eine Rubrik in diesem Kapitel war «Texte in schweren Zeiten». Nun möchten ich und die Pfarrpersonen der Reformierten Kirche Baden die Rubrik wieder aufnehmen.
«Texte in schweren Zeiten» hiess dieses Unterkapitel. «Texte in schwierigen Zeiten» heisst es ab dieser Woche. Weshalb? Es war ein Impuls von mir, als ich an der Arbeit an unserer Website war. «Schwer» – schwer war es irgendwie im Februar, März 2020. Wir waren erschlagen von der Tatsache, dass ein Virus unseren Alltag diktieren sollte. Gelähmt von den Nachrichten, manchmal orientierungslos in der Frage gefangen: «Wie geht das weiter?».
Und jetzt? An das Schwere haben wir uns gewöhnt. So, dass es fast zur Normalität wurde. Wir haben uns an das Schwere gewöhnt, und deshalb ist es vielleicht weniger schwer. Doch schwierig ist die Lage nach wie vor! Die Fallzahlen steigen und steigen. Wir versuchen, einen Alltag zu leben, der nicht Alltag ist. Kaum sind wir draussen, kaum müssen wir einkaufen oder mit dem ÖV fahren, wird uns schlagartig wieder klar: nichts ist einfach und leicht, wir befinden uns nach wie vor in der Corona-Krise.
Was hilft gegen die «schwierige Zeit»? Was hilft gegen die Entbehrung eines Familienfestes, eines Kinobesuches oder einer Tanzparty? Schwer? Nein, schwierig. Wenn wir bereit sind zu suchen, wenn wir die Herzen offen haben und nicht nur die Augen und Ohren, dann merken wir, dass da auch ein Gewinn ist. Man spricht von Solidarität. Aber was heisst das? Dass es mir nicht egal ist, was im Altersheim unserer Gemeinde passiert? Dass es mir leidtut, dass sich alte Menschen in meiner Nachbarschaft nicht mehr zum Einkauf wagen? Das ist sicher schön und gut. Aber hilfreich wird es dann, wenn wir Taten statt Worte sprechen lassen. Ganz im Kleinen, im Stillen. Bei der einsamen Nachbarin zu Besuch gehen und vielleicht nur zehn Minuten und auf Abstand von fünf Metern einen Kaffee trinken. Hinzuhören, wenn sie erzählt, wie sie ihre Enkel vermisst. Oder am Telefon jemanden zu fragen «wie geht es dir eigentlich wirklich in dieser Zeit?». Sagen wir es unseren Nächsten, aber auch unseren «Übernächsten», dass wir uns um sie sorgen. Dass sie uns nicht egal sind. Dann haben wir etwas gewonnen, das ohne diese «schwierige Zeit» bisher viel zu wenig da war im «normalen» Alltag.
Herzlich, Bettina Weissenbrunner
Liebe Gemeinde,
im Frühling – erinnere ich mich – kursierte ein schöner Text im Netz, der ungefähr so oder etwas anders lautete:
“Vieles ist jetzt abgesagt, doch das Singen der Vögel am Morgen, die Sonne am Mittag, die ersten Blüten an den Sträuchern, Spaziergänge im Grünen, die ersten lauen Abende, … alles das ist nicht abgesagt.”
Und nun? Nun kommt allerdings der November – die dunklen Tage, nix mit Blüten und lauen Frühlingslüftchen. Vielleicht könnte man sich jetzt halt sagen:
“Bei vielem müssen wir uns jetzt wieder einschränken, doch ein feines Essen kochen daheim, die alten Raritäten aus Schallplatten- oder CD-Sammlung mal wieder hören und dazu ein Tänzchen beim Wegräumen von Geschirr oder Wäsche, alles das ist nicht abgesagt.” (Und über meine Küchendisco beim Ausräumen vom Geschirrspüler haben meine Kinder grad auch noch etwas zu lachen 😉)
Oder – und das sage ich mir nun als Selbstaufmunterung für die nächste Zeit:
“Vieles wird abgesagt, aber Mitmenschlichkeit und Engagement finden trotzdem statt.”
So habe ich mich heute weiter ums Organsieren der Weihnachtspäckli-Aktion gekümmert. Und diese möchte ich in diesem Jahr mit einer Sammlung von Hilfsgütern für Flüchtlinge verbinden. Die Zustände in den Lagern in Griechenland sind ja weiter elend. Und entlang der Balkanroute, dort wo Flüchtlinge gestrandet sind – da wird es auch nicht besser sein. “Gain”, der humanitäre Partner von Campus für Christus Schweiz, organisiert Hilfsgütertransporte in die Lager in Griechenland. “Help now”, ein Projekt von Netzwerk Asyl hat Kontakt in Serbien und transportiert Sachen dorthin und zu den Flüchtlingen, die dort gestrandet sind. Gern weitersagen, dass wir dieses Mal die Sammlung erweitern! Ich hänge unten die weiteren Angaben an. Man kann mich auch gern fragen für Infos. Und natürlich gern mitmachen …
Und des weiteren, wo ich beim Thema “Mitmenschlichkeit und Engagement” bin und beim Weitersagen und Mitmachen: Ende November werden wir über die Konzernverantwortungsinitiative abstimmen. Eigentlich halte ich mich mit Politischem ja zurück – meistens jedenfalls, schliesslich haben wir Reformierten ja die Devise: Selber denken. Aber hier ist es eine ethische Frage und geht’s um Menschenrechte. Ausserdem haben in den letzten Wochen die EKS, also die Evangelische Kirche Schweiz, oder auch zum Beispiel die grösste Reformierte Landeskirche, die Berner Kantonalkirche, ihre Unterstützung der Initiative bekräftigt.
Ich teile den Standpunkt der Berner Kirche und möchte gern das Meine dazu beitragen … Sie formulieren, so finde ich, sehr treffend ihre Unterstützung:
“Der Synodalrat ist überzeugt, dass die Konzernverantwortungsinitiative ein pragmatischer Weg ist, um die Rechte benachteiligter Menschen in den Ländern des Südens wirksam zu schützen. Er verbindet damit keinen Generalverdacht mit der Tätigkeit von Schweizer Konzernen im Ausland, er ist sich bewusst, dass die Mehrheit von ihnen fair wirtschaften. Was die Initiative erreicht, sind ‘gleichlange Spiesse’ zwischen denjenigen Firmen, die ihre Verantwortung wahrnehmen, und solchen, die dies um der Gewinnmaximierung willen nicht tun.” ( Der ganze Text ist übrigens sehr lesenswert, hier wäre der Link https://www.refbejuso.ch/standpunkte/konzernverantwortungsinitiative Und ansonsten wichtige Informationen über die Initiative und deren Hintergründe findet man hier: http://www.konzern-initiative.ch )
Ich staune übrigens, wie viele Menschen sich für diese Initiative in Lokalkomitees als Freiwillige einsetzen. Es ist ja ein Thema, bei dem wir nicht einen greifbaren Vorteil davon haben, kein Bauwerk, keine Freizeiteinrichtung, keine Steuererleichterungen oder so. Und doch sind da Menschen parat, sich zu engagieren, weil es ihnen wichtig ist, dass Werte wie die Menschenrechte allen zugutekommen sollen. Respekt! Und zudem hoffnungsvoll finde ich das!
Herzlich, Dietlind Mus
„So, hämers?!“ Fünf Anregungen durch das Corona-Chrönli
„So hämers?“. „Ist Corona vorbei?“. Vorbei ist es noch nicht. Und doch: die ersten kirchlichen Veranstaltungen liegen schon hinter uns. Erste Gottesdienste, inklusive Gemeindegesang, wurden gefeiert. Altersheimgottesdienste, noch ohne Gesang, zelebriert. Nadisna kehrt eine lang ersehnte Normalität zurück. Vor allem: Besuche sind in Altersheimen wieder erlaubt. Man und frau muss sich zwar registrieren lassen. Aber direkte, systemrelevante Kontakte sind Gott-sei-Dank wieder möglich.
Ich hatte eine Corona-Beerdigung. Eine an Demenz erkrankte Person ist wegen Einsamkeit gestorben. Dieser Person war es schlicht nicht verständlich zu machen, warum sie nicht mehr von ihren Kindern und Schwägerinnen besucht werden konnte. Das Pflegepersonal gab ihr bestes, um diese fehlenden Kontakte zu ersetzen. Aber eben: Familie, die bekannten Gesichter, Stimmen und Gesten, sind unersetzbar. Gerade auch für demenzkranke Menschen.
Sind Sie auch schon ein bisschen gesättigt mit Gedanken zu Corona? Das kann ich gut verstehen. Denn Corona-Gedanken sind in der neuen Phase kaum mehr gefragt. Alles läuft – fast – wieder normal.
Und doch. Gerne teile ich mit Ihnen meine fünf Best-Of von Corona-Einsichten. Gerne dürfen Sie mir schreiben. Wo Sie einverstanden sind. Und wo Sie es ganz anders sehen. Also.
- Die Welt kann auch ruhig sein. Noch nie habe ich Vogelstimmen in der Stadt so wunderbar wahrgenommen.
- Die Corona-Zeit war und ist eine grosse Pause. Anregende Gedanken dazu finden Sie von Pfarrerin Christiane Hupppenbauer hier: https://www.youtube.com/watch?v=RPT5KcIKrak- Und von der Philosophin Barbara Bleisch in ihrer Tagi-Kolummne „Pausenlose Pandemie“ hier: https://www.tagesanzeiger.ch/pausenlos-pandemie-491824584941
- Blue Sky. Der Himmel war – und ist immernoch – fast Flugzeugfrei. Für mich, der in Bachenbülach am nordöstlichen Rand des Flughafens aufgewachsen bin, ein Erlebnis, das ich noch nie in der Schweiz erlebt habe. Ich habe in Südafrika gelebt, und die Stille und die Weite des Himmels dort erlebt. Aber hier in der Schweiz? Sogar in den Alpen, wo die Milchstrasse am Nachthimmel unwahrscheinlich schön zu sehen ist – auch dort hatte es immer Kondensstreifen von Flugzeugen verursacht.
- Neuartige Familientreffen. Seit dem Lockdown konnte wir unseren Vater in der Alterssiedlung nicht mehr besuchen. So sind wir Geschwister umgeschrieben. Auf Lifesize. Das ist eine Computeranwendung, wie Teams oder Zoom, mit der viele Menschen sich nun virtuell getroffen haben. Wir haben uns als Familie praktisch jeden Abend getroffen. Auch wenn der alte Vater nicht alles verstand. Er zählte einfach immer alle sechs Kinder, ob wir da waren. Und er plangte jeden Abend, ob wir uns heute auch wieder treffen würden. Er wollte gar nicht lange sprechen. Er hörte und schaute uns einfach mehr zu, wie wir uns untereinander austauschten. Und als der erste sich abmeldete, sagte er jeweils auch: „So, hämers!“ Und verabschiedete sich, um Fernsehen zu schauen. Wir sind alle gespannt, ob wir diesen Faden auch in Corona freieren Zeit weiterspinnen werden.
- Vernunft ist und bleibt zentral. Der Glaube darf die Vernunft nie ausschalten. Erhellende Gedanken dazu von meinem Helden Steven Pinker, dessen Buch „Aufklärung jetzt. Für Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt. Eine Verteidigung“ ich nur allerwärmstens empfehlen kann. Zu Corona sprich Pinker hier https://www.nzz.ch/feuilleton/coronavirus-steven-pinker-zu-menschenleben-und-bias-ld.1550942?reduced=true
Ein sehr hörenswertes Gespräch hat Barbara Bleisch mit Pinker geführt. Er ist auch in diesen neuen fast nach-Corona-Zeite die Zeit wert, gesehen zu werden. Der Titel: „Hab keine Angst – vertrau der Statistik!“ https://www.youtube.com/watch?v=fgc7H-tsDd8
Mehr gibt es vorläufig nur live in Gottesdiensten von mir. Hören Sie doch rein in die Gespräche und Videos, die hier verlinkt sind. Und schreiben Sir mir. Ich antworte Ihnen gerne und trete gerne mit Ihnen in einen Austausch. Apropos: Zum Schluss noch Eigenwerbung. Wer LIVE mit mir ins Gespräch kommen möchte, und schauen, wie gut ich Kuchen backen kann – mit Hilfe von anderen – kann das gerne tun. Am 7. 7, um 14:17 Uhr im Kirchgemeindehaus Baden.
PAX ET BONUM. Ihne wünsche ich Friede und alles Gute. Ihr Res Peter
res.peter@reformiert-baden.ch
Denn alles hat zwei Seiten …
Gerade in diesen Tagen erleben wir, wie verschieden unsere Wahrnehmungen sind. Wie verschieden unsere Reaktionen und Beurteilungen. Während die einen auf der Strasse gegen den Bundesrat und seine Entscheidungen demonstrieren, verkriechen sich andere Zuhause und warnen vor einer drohenden zweiten Welle. Während die einen die neue Chance zur emotionalen Nähe schätzen, sehen die anderen vor allem die zwei Meter Distanz. Und während die einen das Coronavirus als Lüge bezeichnen, beschwören andere fast den Weltuntergang. Alles hat zwei Seiten. Das Gleiche wird nicht gleich wahrgenommen, es wird nicht gleich beurteilt. Eindrücklich können wir dies an folgendem Text sehen. Lesen Sie ihn einmal von oben nach unten, dann von unten nach oben.
Corona ist eine Chance
Corona ist eine Chance!
Nein, die Wahrheit ist,
dass Corona nur den Tod bringt,
dass es uns zerstört,
dass Corona uns alles nimmt,
Ich glaube nicht,
dass Corona unsere Rettung ist,
dass es uns erweckt,
dass Corona durch Distanz zeigt, wie wertvoll Nähe ist,
Es ist doch so,
dass Corona uns einsam macht.
Ich weigere mich zu akzeptieren,
dass Corona uns zeigt, worauf es im Leben ankommt.
Dass wir menschlicher werden,
zusammenhalten,
aneinander denken,
dass wir nachdenken,
es ist doch offensichtlich,
dass Corona die neue Pest ist,
dass wir alle daran sterben werden,
dass dies unser Ende ist,
es wäre gelogen, würde ich sagen,
Corona bringt uns zusammen!
Diese Zeilen werden am Ende von unten nach oben gelesen
und haben so eine ganz andere Bedeutung. Alles hat zwei Seiten …
Bettina Weissenbrunner
Zum ersten Mal?
“Wann hast du zum letzten Mal etwas zum ersten Mal gemacht?”, frage ich gerne – andere wie auch mich selbst. In der Regel entstehen daraus interessante Überlegungen und Gespräche. Meistens fällt es erwachsenen Menschen schwer, etwas zu benennen, das sie erst kürzlich zum ersten Mal gemacht haben. Wir Erwachsene laufen so sehr in vertrauten Bahnen und eingespielten Routinen, da findet sich selten Neues.
Zurzeit ist das anders. Zurzeit machen viele vieles zum ersten Mal. Und erleben dadurch die Welt anders. Wir erfahren die vertraute Welt, in der wir leben, wieder neu, weil wir vieles anders machen müssen als bis anhin und dazu auch noch anderes machen müssen. Dadurch wird uns die Welt wie neu. Wir sehen Blumen am Weg, die wir noch nie gesehen haben. Wir hören Vogelstimmen, die wir noch nie gehört haben. Die Luft riecht anders und z.T. sehen sogar bekannte Menschen anders aus. Wir tun Neues oder tun etwas auf neue Weise und anderes als bis anhin ist jetzt wichtig. Wir nehmen uns Zeit für eine zufällige Begegnung, für ein Gespräch am Weg. Wir lesen und denken, spielen und backen, lachen und weinen – und zwischendurch beten wir auch.
Wann hast du zum letzten Mal etwas zum ersten Mal gemacht? Ein Kind kann diese Frage jederzeit mühelos beantworten. “Werdet wie die Kinder”, riet Jesus schon vor langem. Vielleicht ist jetzt die beste Gelegenheit, dem näher zu kommen.
Herzlich, Christina Huppenbauer
Ich habe einen Traum
Kennen Sie das? Manchmal wünsche ich mir, ich würde am Morgen aufwachen und alles wäre wie immer: die Corona Krise nichts als ein böser Traum. Und am liebsten wäre mir dann, auch die Klimakrise wäre nichts als ein Hirngespinst, verblassend im Morgenlicht.
Doch so wird es nicht sein, da hilft alles träumen nichts. Die Krise ist da und sie verlangt unser entschlossenes Handeln. Dennoch habe ich einen Traum. Ich träume davon, wie es sein wird nachher, wenn auch diese Zeit der Krise Geschichte geworden ist. Unsere Gesellschaft wird nicht mehr dieselbe sein, so sagt man.
Wenn ich diesem Tagtraum nachhänge, dann denke ich, in welch eigenartiger Zeit wir doch leben. Gerade noch hält uns die Klimakrise in Atem, und nun erleben wir die Corona Krise, die uns noch viel offensichtlicher und persönlicher nahe geht. Könnte man sagen: Dem Planeten geht es mit der Klimakrise schon länger so wie uns Menschen aktuell mit der Corona-Krise?
Auch hier: Beinahe zu spät für das rettende Handeln.
Auch hier: Es geht uns allen ans Lebendige.
Auch hier: Drastische Einschnitte in den Alltag aller sind nötig.
Ich habe einen Traum – wir bekommen die Corona-Krise in den Griff. Und gehen verändert aus ihr hervor. Wir haben gelernt, wie wir gemeinsam etwas bewirken können. Wir sind eine Gesellschaft, die Probleme gemeinsam angehen und bewältigen kann. Wir haben erfahren, dass wir uns aufeinander verlassen können. Und so müssen wir auch vor der Klimakrise nicht die Augen verschliessen und uns wegträumen, denn wir haben erfahren, dass wir handlungsfähig sind.
Hier wie dort: Wir können Lösungen unabhängig von parteipolitischen Differenzen finden.
Hier wie dort: Wir können Informationen der Fachexperten ernstnehmen.
Hier wie dort: Wir können uns ändern, weil wir müssen und vor allem, weil wir das Leben lieben.
Dies ist mein Tagtraum, der mich auch an diesen Tagen hoffen lässt.
Ihre Pfarrerin Renate Bolliger König
Lebensschule
Es steht ein grosses Schulhaus für jedermann bereit,
drin wohnen wir als Schüler die ganze Lebenszeit;
das ist die Lebensschule, wer kennt sie wohl nicht?
Noch keiner war befreit von dieser Schule Pflicht!
Es sind zwei grosse Lehrer im Schulhaus angestellt-
Sie lehren und erziehen die ganze Menschenwelt;
Die Freude heisst der eine – den hören sie gar gern,
das Leiden heisst der eine – den fliehen sie von fern.
Doch keinem ist’s beschieden, zu wählen, wie er will;
Die beiden grossen Lehrer erscheinen leis und still
Und treiben ihre Arbeit bei Tag und bei der Nacht
bis sie dem Menschenherzen so manches beigebracht.
Wenn uns der Lehrer Freude in seine Lehre nimmt,
wie wird da unsere Seele so frisch und froh gestimmt!
Wir singen um die Wette mit allen Vögelein
Und sehen alle Dinge im hellen Sonnenschein.
Doch wenn der Lehrer Leiden sein ernstes Antlitz zeigt –
Da werden wir wohl anfangs gar tief herabgebeugt.
Wir meinen: nichts ist schlimmer als Kummer, Sorg und Schmerz
und weinen oft im Stillen, als bräche uns das Herz.
Und doch, wenn wir gerungen mit gutem festen Mut,
Dann spüren wir es deutlich, auch Leiden meint es gut!
Es läutert unsre Seele, macht sie von Schlacke rein,
es nimmt uns manchen Flitter und manchen falschen Schein.
Und unsere besten Kräfte, die früher tief versteckt –
Die werden durch das Leiden zum Leben erst geweckt:
Da regt sich Glaube, Hoffnung, Geduld und Tapferkeit,
das Mitleid und die Liebe – so wandelt uns das Leid.
Und über beiden Lehrern steht gütig, ernst und klar,
der Leiter von der Schule, der ewig ist und wahr !
Sein Auge sieht uns alle und prüft uns jederzeit
Und schickt zur rechten Stunde die Freude und das Leid.
Und wenn am Lebensende der grosse Meister spricht:
„ Mein Kind, gefiel dir einer von beiden Lehrern nicht?“
Dann sind wir unserem Meister zu stillem Dank bereit:
„ Wir danken dir für beides – für Freude und das Leid!“
(Verfasser unbekannt)
Herzlich, Edith Rimann
Sekundenglück
Kennen Sie das auch? Das kurze, aufflammende Glücksgefühl, das einen ganz unerwartet erfüllt, wenn man es am wenigsten erwartet. Herbert Grönemeyer besingt es in seinem gleichnamigen Lied (2018):
«Und du denkst, dein Herz schwappt dir über
Fühlst dich vom Sentiment überschwemmt
Es sind die einzigartigen Tausendstel-Momente
Das ist, was man Sekundenglück nennt»
Bevor ich dieses Lied zum ersten Mal gehört und dem Text gelauscht habe, hatte das Wort «Sekundenglück» für mich keine nennenswerte Bedeutung, denn ich dachte nicht darüber nach. Seither erkenne ich jedoch immer wieder bewusst solche Momente im Alltag. Sie sind einfach da, ganz plötzlich, meistens aus dem Nichts heraus. Ihr Aufflammen ist kurz, die Wirkung nachhaltig. Sie wahrzunehmen heisst aufmerksam zu sein, mit offenem Herzen und empfänglich für das Unerwartete, ganz im Moment und bei sich zu sein. Beim Spazieren allein im Wald, wenn ein Sonnenstrahl durch die Äste bricht und mein Herz erwärmt. Entlang der Reuss, wenn das Rauschen des Wassers auf einmal alle Sorgen oder die schlechte Laune wegspült. Am Morgen auf dem Schulweg, wenn die Sonne über den Bergen aufgeht und den See glitzern lässt. Wenn eine kleine Blüte am Wegrand dem nebligen Tag einen leuchtenden Farbtupfer verpasst. Eine Melodie, die sich ins Ohr drängt, hängen bleibt und mein Blut zum Singen bringt. Eine ungewöhnliche Idee, die aufflammt und kreative Energie freisetzt. Düfte, die längst vergessene, angenehme Erinnerungen wecken…
Solche Momente bewusst erleben zu dürfen, empfinde ich als grosses Geschenk. Dankbarkeit erfüllt mich jedes Mal aufs Neue. All die geschenkten Glücksmomente sind wie kostbare Perlen, die sich zu einer strahlenden Kette auffädeln lassen. Ein persönlicher Schatz, der mein inneres Feuer nährt und meinem Leben Schwung verleiht – grad so, wie Herbert Grönemeyer es im Lied weiter besingt:
«Es schiebt an, alles leicht
Es schiebt an, alles weit
Es weckt in dir dein Lebenselixier
Es schiebt dich an, ganz leicht»
Das Lebenselixier wecken zu können, klingt einfacher als es ist. Es lässt sich auch nicht einfach erzwingen, sondern stellt sich von allein ein, schliesslich handelt es sich dabei um ein Gefühl. Viel zu oft sind wir abgelenkt, gestresst, haben keine Zeit; spüren uns selbst nicht mehr, haben verlernt, mit dem Herzen zu sehen, uns an kleinen Dingen zu erfreuen. Oder die Umstände, eine schwierige Lebenssituation erlauben es nicht und wir brauchen unsere gesamte Energie, um diese irgendwie meistern zu können.
Und plötzlich sind wir alle damit konfrontiert, uns einzuschränken, müssen auf Begegnungen und Freiheiten verzichten, uns mehr mit uns selbst beschäftigen. Vielleicht ist es Ihnen gerade deshalb gelungen, einzigartige Tausendstel-Momente in Ihrem Alltag bewusst wahrzunehmen?
Sekundenglück, das wünsche ich Ihnen von Herzen – nehmen Sie es wahr, immer wieder aufs Neue.
Susanne Widmer
Erwachen
Vogelgezwitscher! Der Morgen ist da! Zurückfinden aus den exotischen Ländern der Träume – langsam, ganz behutsam. Einen Zeh bewegen, dann den zweite. Ach es ist noch so behaglich unter dieser weichen Decke. Der Nachbarshund bellt seinen Morgengruss unter meinem Fenster. Jetzt aber wirklich! Durchstrecken, von den Füssen bis zum Kopf…und Augen auf. Herrlich – ein neuer Morgen! Was mache ich denn heute? Ah ja, ich will nach Baden ins Sekretariat, da könnte ich doch gleich noch mit einer Freundin zum Zmittag abmachen. Schlaftrunken noch trudeln diese Gedanken durch meinen Kopf. Plötzlich dringt ein Gedanke eiskalt und verstörend in mein Bewusstsein: Corona!
Nein nein! Ich strecke mich nochmals: Das ist doch nur ein Albtraum. Ich habe schlecht geträumt! So etwas gibt es doch gar nicht! Solche Szenen kommen nur in Science Fiction Romanen vor!
Und doch… langsam drängt sich die Realität ganz in mein morgendliches Aufwachen. Das Herz verharrt einen Moment im Schrecken. Dann erinnere ich mich an die Radiosendung vom Vortag. Die Situation in Afrika und Indien. Unmengen von Menschen auf engstem Raum. Keine Möglichkeit, Abstand zu nehmen. Fliessendes Wasser in den ärmlichen Behausungen gibt es nicht. Keine Möglichkeit zum Händewaschen. Menschen hungern, da sie ihre Arbeit verloren haben. Ein riesiges Elend!
Und ich? Ich darf jetzt aufstehen. Ich bin gesund. Aus meiner Dusche fliesst reinigendes Wasser. Mein Morgenmüesli steht parat. Durch meine Wohnung tanzen die ersten Sonnenstrahlen.
Ein grosses DANKE erklingt in mir! Danke für alles das, was mir geschenkt ist. Es ist, trotz der momentanen Verzichte, so viel!
Ein vorwitziger Sonnenstrahl funkelt über meine Decke. Nun kann ich aufstehen. Weiss mich geborgen … denn:
Das Licht Gottes umgibt mich!
Die Liebe Gottes umhüllt mich!
Die Gegenwart Gottes wacht über mir!
Die Kraft Gottes strömt durch mich!
Wo immer ich bin ist Gott!
Amen.
(James Dillet Freemann)
Das Licht Gottes begleite Sie durch Ihre Tage!
Herzlich. Heidy Anneler
Herr, deine Güte reicht, soweit der Himmel ist, und deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen. Psalm 36,6
Lieber Gott,
Es ist schwer, dich in dieser Zeit zu loben. Deine Güte zu sehen. In guten Zeiten geht das gut. Doch jetzt. In dieser ungewissen Situation? Gott, ich habe Angst. Ich bin so machtlos. Ich bin so hilflos.
Deine Güte.
Wo ist sie mein Gott?
Ich möchte sie sehen. Ich möchte sie spüren.
Gott, ich vertraue dir. Ich vertraue dir, dass deine Güte da ist. Dass genug für alle da ist. Du Gott bist gut. Wer sonst.
Deine Güte reicht.
Amen
Nadja Deflorin
LINNER LINDE
Sie steht still und macht keinen Wank:
still stehen
ruhig sein
einfach sein
die Zeit vorbeiziehen lassen
zusehen
nichts tun
In meinen Ferien habe ich mir einiges vorgenommen. Auch wandern zu gehen. Zweimal bin ich bei der Linner Linde vorbei gekommen. Zweimal hat sie mich tief beeindruckt: Sie hat unzählige Stürme er- und überlebt. Sie steht da, gezeichnet von ihrem langen Leben, aber sie steht da und demonstriert mit ihrem Frühlingsgrün ihre Präsenz und Anteilnahme an ihrer Umgebung. Was für eine Überzeugung und Kraft!
Ich fühle mich ertappt. Ertappt, mir zu viel vorgenommen zu haben für die Ferientage. Schwieriges mit Energie und Schwung anzugehen. Hier und da anzupacken, wenn Stürme drohen. Zu reden und handeln, wenn etwas droht zu eskalieren. Zu trösten und unterstützen, wenn Schlimmes passiert. Nur weil ich es nicht aushalte, nicht vermag nichts zu tun.
still stehen
ruhig sein
einfach sein
die Zeit vorbeiziehen lassen
zusehen
nichts tun
Ist das wirklich so schlimm? Zumindest die Linde tuts und das schon sehr lange. Ich nehme mir ein Beispiel, gerade für diese aktuelle Zeit.
Herzlich, Monika Jufer
Alles hat ein Ende, ausser der Banane, die hat zwei
Dieser Spruch stammt aus Liberia und Mali. Vor ein paar Wochen, als wir als Gruppe vom Religionsunterricht noch unbeschwert unterwegs sein durften, kam ich von einem Ausflug nach Basel zur Mission 21 mit einem Buch nach Hause. Jetzt, wo ich im Home-Office arbeite und die Schülerinnen und Schüler ebenfalls zu Hause die Zeit verbringen, habe ich etwas Zeit, dieses Buch mit dem Titel «Wer langsam geht, kommt weit» mal etwas durchzublättern. Es ist eine Sammlung von afrikanischen Sprichwörtern aus dem Alltagsleben. Pfarrer Hans Knöpfli lebte von 1956 bis 1993 im Kameruner Grasland, wo er auch noch in der Funktion eines Schulverwalters und Handwerkers arbeitete. Er eröffnete ein Handwerkszentrum und Verkaufsläden, konnte mit der Töpferei Schulabgängerinnen und Schulabgängern eine Arbeit verschaffen und einen Beitrag gegen die Arbeitslosigkeit leisten. Weiter hatte er zum Ziel, das Verschwinden der einheimischen Handwerkskunst zu verhindern. In mühevoller Kleinarbeit hat er all die Jahre hindurch Sprichwörter gesammelt. Diese helfen, sich fremden Denkweisen anzunähern und wir begegnen in ihnen der Weisheit alter Kulturen. Es sind dies Sammlungen von in einprägsame Bilder verpackten Lebenserfahrungen, wie wir sie auch aus der Bibel, dem Buch der Sprüche kennen. Dieses biblische Buch finden sicherlich alle im Büchergestell, in der Kirche oder im Internet. Aber Sprüche aus Afrika, vielleicht eher nicht. Und da ich ja das Buch habe, muss ich nicht recherchieren. Ich finde, dass solche Sprüche einem auch gut tun, gerade bei schwierigen Fragen wie jetzt in der Bedrohung durch das Coronavirus. Auf dass unsere Gesellschaft weiterhin zusammensteht. Hören wir da als Rufer ein paar dieser Sprüche an.
Ein denkwürdiges Bild aus Kamerun: «Was ein Alter im Sitzen sieht, kann ein Junger nicht einmal im Stehen erkennen.» Oder aus dem Niger/Tschad: «Was du krampfhaft suchst, verpasst du. Was du gelassen suchst, wirst du finden.» Ebenfalls aus Kamerun: «Wer aufgehört hat zu träumen, hat aufgehört zu leben.» Oder «Treue übertrifft Stärke». Aus Ghana: «Wer Wein verdient, soll nicht Wasser bekommen.» Aus Südafrika: «Die Weisheit wohnt nicht in einem einzigen Haus.» Aus Mali: «Es ist besser, mit drei Sprüngen zum Ziel zu kommen, als sich mit einem ein Bein zu brechen.» Nochmals Kamerun: «Lass auf dem Weg zum Nachbarn kein Gras wachsen.» Suaheli: «Verachte nicht die Brücke, über die du gegangen bist.»
Mir kommen selber Leitsprüche in den Sinn: «Nume nüd gsprängt.» «Morgenstund hat Gold im Mund.» «Morn isch au no en Tag.» «Silvester, stand uf, schwing d’Bei zum Bett us, nimm de Stock id Hand und lauf dürs ganze Vaterland.» «S’chunnt scho guet.»
Ja, der Grosselterngeneration haben wir viel zu verdanken. Ob in Afrika oder in der Schweiz. Die Gespräche – aktuell auch per Telefon, weil man die Eltern im Altersheim als Vorsichtsmassnahme nicht besuchen darf – tun gut, sie verwurzeln, sie weiten den Horizont, sie hinterfragen Denkstrukturen und Verhaltensweisen. Vielleicht müssten wir den einen oder anderen Spruch unserer betagten Eltern jetzt auch aufschreiben.
Ihr Pfarrer Christian König
Die Steinsuppe
Es war einmal vor langer Zeit, irgendwo in Osteuropa, da herrschte eine grosse Hungersnot. Die Menschen horteten missgünstig alles Essbare, was sie finden konnten und versteckten es sogar vor ihren Freunden und Nachbarn. Eines Tages kam ein Hausierer mit seinem Wagen in ein Dorf, verkaufte dort einige seiner Waren und begann den Leuten Fragen zu stellen, wodurch er den Anschein erweckte, er wolle über Nacht bleiben.
«Es gibt in der ganzen Gegend keinen Bissen zu essen», sagte man ihm. «Es wäre besser, Sie würden weiterziehen.» «Oh, ich habe alles, was ich brauche», sagte der Hausierer. «Eigentlich hatte ich mir gedacht, ich mache eine Steinsuppe und lade euch alle dazu ein.» Er hob daraufhin einen eisernen Kessel von seinem Wagen, füllte diesen mit Wasser und machte ein Feuer darunter. Dann nahm er feierlich einen schlichten Stein aus seiner Samttasche und legte ihn in das Wasser.
Mittlerweile waren die meisten Dorfbewohner auf dem Platz erschienen oder schauten aus ihren Fenstern, weil sie das Gerede über das Essen gehört hatten. Als der Hausierer an der Suppe schnüffelte und in freudiger Erwartung über seine Lippen fuhr, begann der Hunger das Misstrauen der Dorfbewohner zu besiegen.
«Ah», sagte der Hausierer recht laut zu sich selbst, «ich liebe eine schmackhafte Steinsuppe. Natürlich, eine Steinsuppe mit Kohl, das wäre sicherlich kaum zu übertreffen.» Kurz darauf eilte ein Dorfbewohner herbei, der einen Kohl aus seinem Versteck in der Hand hielt und legte diesen in den Kessel. «Grossartig», rief der Hausierer. «Wissen Sie, einmal hatte ich sogar eine Steinsuppe mit Kohl und einem Stück Pökelfleisch darin. Die war eines Königs würdig.» Der Dorfmetzger besorgte daraufhin etwas Pökelfleisch… und so ging es dann mit Kartoffeln, Zwiebeln, Möhren, Pilzen, und und und weiter, bis sie tatsächlich ein köstliches Mahl für alle hatten. Die Dorfbewohner boten dem Hausierer eine Menge Geld für seinen magischen Stein, doch er lehnte ab und zog am nächsten Tag weiter. Von dieser Zeit an, noch lange, nachdem die Hungersnot vorbei war, dachten die Leute an die köstlichste Suppe, die sie jemals gegessen hatten.
Quelle: Volksgut
Herzlich, Susanne Widmer
“Wird dieser Baum Blätter und Blüten tragen?”
Das hat mich nachdenklich gestimmt. Wo werde ich selber stehen in einigen Wochen? Werde auch ich etwas mitgenommen aussehen, – innerlich wie “zerfranst und angeschlagen”? Und wie wird es in der Welt um uns herum aussehen? Werden wir dabei sein, die Schäden zu bemessen und die Verluste abzuzählen? Werden wir abtasten und sondieren, was uns an Solidität und Wurzelhaftung noch geblieben ist? Oder werden wir uns bereits wieder freuen können darüber, dass auch im hart gezeichneten Lebensbaum ungeahnte (und vielleicht verloren geglaubte) Lebenskräfte noch immer wirksam sind?
Mit solchen Fragen bin ich dann weitergegangen in Richtung Dorf. Währenddem steht der – ich geb’s zu: nicht mehr ganz so schöne – Baum unfehlbar am selben Ort … und träumt vielleicht von einer baldigen Blüten- und Blätterzeit.

Solidarität zwischen den Generationen
Jetzt, in diesen schweren Zeiten, ist viel von der Solidarität zwischen den Generationen die Rede. Denn um Ansteckungen zu vermeiden, sollen die einen nicht mehr hinaus unter die Leute. Und um das Virus nicht plötzlich zu den Grosseltern mitzubringen, sollen die anderen vorübergehend auf Besuche verzichten. So greift man zum guten alten Telefon und hat plötzlich Zeit für ein Generationen verbindendes Gespräch. Dabei kann man sogar noch besser einfach mal so drauflos reden oder einem ebensolchen Rededrang zuhören, nichts lenkt einen ab. Keine Schuhe und kein Mantel müssen angezogen, kein Rollator ins Auto gepackt werden. Die Gespräche drehen sich nicht darum, was der andere zu essen bestellen möchte im Restaurant. Man hat Zeit für Ausblick, Dank, Rückblick, Einblick, Ermutigung, Zuspruch, Klage, persönliche Worte. Natürlich schön heruntergebrochen ins Hier und Jetzt. Nicht in grossen pathetischen Worten, sondern in kleinen Erzählungen, Bemerkungen, einem Dialog, hin und her.
Themenwechsel: Solidarität heisst natürlich auch, bei den Einkäufen zu helfen und allgemein in Krisenzeiten tätig sein. Solidarität bedeutet aber – auch sonst – im Kontakt stehen, in Beziehung, die aktuelle Herausforderung gemeinsam meistern, einander erzählen, Dinge bereden (über die man sonst nicht spricht). Einsehen, wie man geprägt ist, wofür man danke sagen kann der Grosselterngeneration gegenüber. Die Solidarität zwischen den Generationen ist aktuell «ein ganz heisser Draht», sowohl per Festnetz, Handy-Antenne, Nachbarschaftshilfe, «vo Türe zu Türe, vo Härz zu Härz». Sag’s doch schnell per Telefon!
Ihr Christian König
Stille
Das Leben in Zeiten des Coronavirus hat sich für jeden von uns stark verändert. Was bis anhin selbstverständlich war, ist nicht mehr möglich. Social distancing betrifft fast alle Bereiche des Lebens. Familien, die nicht mehr im gleichen Haushalt wohnen und Freunde kommunizieren über Whatsapp, Skype oder Telefon. Mit den Schülern und Schülerinnen, den Geschäftskolleginnen und -kollegen wählen wir dieselben Kanäle, um Kontakte aufrecht zu erhalten.
Ich erlebe in mir von Woche zu Woche eine Veränderung. Was am Anfang unmöglich schien, wird immer selbstverständlicher. Ich wachse mit der Veränderung mit. Am Anfang war da Ohnmacht, Angst, Unsicherheit, ja Auflehnung. «Das kann gar nicht gehen! Ich kann das nicht!» Doch dann, weil mir nichts anderes übrig bleibt, setze ich mich mit den geforderten, Kommunikation aufrecht erhaltenden digitalen Tools auseinander und merke jetzt, es klappt und verbindet mich mit der Aussenwelt.
Aber auch etwas anderes hat sich verändert: Mein Zugang zu mir selbst. Klar, der vermehrte digitale Einsatz erfordert Zeit. Aber an anderen Stellen wird plötzlich Zeit frei: keine Unterrichtsstunden in der Schule, keine Kurse, keine Veranstaltungen, keine privaten Treffen … Das gibt Zeit, geschenkte Zeit – auch für mich.
Ich merke allmählich, dass ich mir wieder näher komme, weil ich mich nicht mehr so stark im Aussen verliere. Eigentlich ein ganz guter Aspekt dieser Coronavirus-Krise …
Folgende Geschichte veranschaulicht, was ich meine. Leider ist mir der Verfasser der Geschichte nicht bekannt.
Zu einer Einsiedlerin kamen eines Tages Wanderer. Die fragten sie: «Welchen Sinn siehst du in einem Leben in der Stille?» Sie war gerade mit dem Schöpfen von Wasser aus einer tiefen Zisterne beschäftigt. «Schaut in die Zisterne, was seht ihr?», fragte sie. Die Besucher: «Wir sehen nichts.» Nach einer Weile forderte die Einsiedlerin sie wieder auf: «Schaut in die Zisterne, was seht ihr?» Sie blickten hinunter und sagten: «Jetzt sehen wir uns selbst.» Die Einsiedlerin sprach: «Als ich vorhin Wasser schöpfte, war das Wasser unruhig und ihr konntet nichts sehen. Jetzt ist das Wasser ruhig und ihr erkennt euch selbst. Das ist die Erfahrung der Stille.»
Herzlich, Claudia Benninger, Katechetin
„Füllest wieder Berg und Tal still mit Nebelglanz“
So beginnt eines meiner liebsten Gedichte. „An den Mond“ heisst es, und Johann Wolfgang Goethe besingt darin die beruhigende heilsame Kraft des Mondes mit seinem milden Licht, seinem gnädigen Blick.
Ich habe gestern einige Mondbilder geschickt bekommen von einer Freundin, die an diesem Vollmondabend auf dem Friedhof unterwegs war. Ihren Vater und ihren Sohn hat sie besucht.
Sterblichkeit, Endlichkeit und innerer Frieden waren die Themen, die sie mit diesen Bildern verbunden hat sowie die Zusammengehörigkeit von Leben und Tod, die nicht schmerzlich erlebt wird, sondern als untrennbare, wertvolle Einheit.
Auch ich hatte den wunderbaren Vollmond in der letzten Nacht gesehen und mein Gedanke war: nicht mehr lang, dann ist Ostern. Dieser erste Frühlingsvollmond ist der Ostervorbote. Bald ist es so weit.
In diesen Tagen gehören die Themen, die sich auf meinem Handy so wunderbar getroffen haben, ganz eng zusammen. Der Tod, der um uns ist, der uns aus den Zeitungen und allen anderen Medien entgegenkommt, in täglich neuen Zahlen, die eigene Angst, die Betroffenheit, aber auch die Zeit, die uns nun geschenkt ist, in Ruhe über alles nachzudenken. „An irgendetwas muss ich ja sterben“, hat mir eine Dame dieser Tage am Telefon gesagt, und sie klang dabei weder todessehnsüchtig noch ängstlich, sondern auf eine in sich ruhende Art realistisch. Ja, wir werden alle sterben, irgendwann, und, auch das sagt mir der Mond, das wird nicht das Ende sein, denn bald kommt Ostern.
Herzlich, Kristin Lamprecht
Brücken bauen
„Du hast einen schönen Beruf“, sagte das Kind zum Brückenbauer.
„Es muss schwer sein, Brücken zu bauen.“
„Wenn man es gelernt hat, ist es leicht“, sagte er. „Es ist leicht Brücken aus Stahl und Beton zu bauen. Die anderen Brücken sind viel schwieriger“, sagte er, „die baue ich in meinen Träumen“.
„Welche anderen Brücken?“, fragte das Kind.
Der alte Brückenbauer sah das Kind nachdenklich an. Er wusste nicht, ob das Kind es verstehen würde. Dann sagte er: „Ich möchte eine Brücke bauen, von der Gegenwart in die Zukunft! Ich möchte eine Brücke bauen, von einem Menschen zum anderen, von der Dunkelheit ins Licht, von der Traurigkeit zur Freude. Ich möchte eine Brücke bauen, von der Zeit in die Ewigkeit, über alles Vergängliche hinweg.“
Das Kind hatte aufmerksam zugehört. Es hatte nicht alles verstanden, spürte aber, dass der alte Brückenbauer traurig war. Weil es ihn wieder froh machen wollte, sagte das Kind: „Ich schenke dir meine Brücke“. Und das Kind malte für den Brückenbauer einen wunderschönen bunten Regenbogen.
(Verfasser unbekannt)
Susanna Benz
Trotzdem im Austausch und einander nahe in Gedanken
Seit drei Wochen schreibe ich ab und an, meistens zum Sonntag hin, Gedanken per E-Mail an ( hauptsächlich, aber nicht nur) ältere Menschen, die ich kenne. Mal aufbauend, mal humorvoll – versuche ich so die Kontakte zu pflegen, wenn man sich jetzt nicht treffen kann bei den kirchlichen Anlässen, und es ergibt sich daraus der eine oder andere Austausch von Gedanken. Ich schätze das sehr.
Wie gut, dass wir einander stützen und motivieren können! Wie gut, ist auch per Telefon, Mail, Brief, … oder in Gedanken Gemeinschaft möglich und eben auch spürbar! Eine der älteren Frauen aus Ennetbaden, Ursula Merz, schickte mir im Rahmen dieses Austauschs eines Morgens früh ein Gedicht, das mir an dem Morgen wie aus der Seele sprach. Flugs habe ich es ausgedruckt und seitdem steht es im Kartenhalter auf meinem Pult. Und ich denke mir: ja, das ist Kirche, wie ich sie mir erträume, wir geben uns gegenseitig Seelsorge in schweren Zeiten! Ich mag diese Haltung des “Trotzdem” – oder des fast ein bisschen “Jetzt erst recht”.
Und darum teilen Ursula Merz und ich gern ihre Zeilen mit Ihnen in der Hoffnung, ein wenig von diesem Geist des “Trotzdem” möge auch zu Ihnen hinüber wehen…
Trotzdem!
T rotzdem Nähe mit Geist und Seele schenken
r ege und wach sein
o hne Furcht den Menschen begegnen
t eilen und mitteilen
Z ulassen von Ängsten
d ie Menschen auch mit Virus wahrnehmen
e igenständig bleiben
M ut zum aktiven Leben
Dietlind Mus, Pfarrerin für Ennetbaden
Es könnte ja sein …
Es könnte sein, dass in Italiens Häfen die Schiffe für die nächste Zeit brach liegen, … es kann aber auch sein, dass sich Delfine und andere Meereslebewesen endlich ihren natürlichen Lebensraum zurückholen dürfen. Delfine werden in Italiens Häfen gesichtet, die Fische schwimmen wieder in Venedigs Kanälen!
Es könnte sein, dass sich Menschen in ihren Häusern und Wohnungen eingesperrt fühlen, … es kann aber auch sein, dass sie endlich wieder miteinander singen, sich gegenseitig helfen und seit langem wieder ein Gemeinschaftsgefühl erleben. Menschen singen miteinander!!
Es könnte sein, dass die Einschränkung des Flugverkehrs für viele eine Freiheitsberaubung bedeutet und berufliche Einschränkungen mit sich bringt , … es kann aber auch sein, dass die Erde aufatmet, der Himmel an Farbenkraft gewinnt und Kinder in China zum ersten Mal in ihrem Leben den blauen Himmel erblicken. Sieh dir heute selbst den Himmel an, wie ruhig und blau er geworden ist!
Es könnte sein, dass die Schließung von Kindergärten und Schulen für viele Eltern eine immense Herausforderung bedeutet, …es kann aber auch sein, dass viele Kinder seit langem die Chance bekommen, endlich selbst kreativ zu werden, selbstbestimmter zu handeln und langsamer zu machen. Und auch Eltern ihre Kinder auf einer neuen Ebene kennenlernen dürfen.
Es könnte sein, dass unsere Wirtschaft einen ungeheuren Schaden erleidet,… es kann aber auch sein, dass wir endlich erkennen, was wirklich wichtig ist in unserem Leben und dass ständiges Wachstum eine absurde Idee der Konsumgesellschaft ist. Wir sind zu Marionetten der Wirtschaft geworden. Es wurde Zeit zu spüren, wie wenig wir eigentlich tatsächlich brauchen.
Es könnte sein, dass dich das auf irgendeine Art und Weise überfordert, … es kann aber auch sein, dass du spürst, dass in dieser Krise die Chance für einen längst überfälligen Wandel liegt,
– der die Erde aufatmen lässt,
– die Kinder mit längst vergessenen Werten in Kontakt bringt,
– unsere Gesellschaft enorm entschleunigt,
– die Geburtsstunde für eine neue Form des Miteinanders sein kann,
– der Müllberge zumindest einmal für die nächsten Wochen reduziert,
– und uns zeigt, wie schnell die Erde bereit ist, ihre Regeneration einzuläuten, wenn wir Menschen Rücksicht auf sie nehmen und sie wieder atmen lassen.
Wir werden wachgerüttelt, weil wir die Dringlichkeit selbst nicht erkannten. Denn es geht um unsere Zukunft. Es geht um die Zukunft unserer Kinder.
(VerfasserIn unbekannt)
Raphaela Lienhard
Der Weg, auf dem ich jetzt gehe,
auf dem ich jetzt schon manche Tage gehe …
er ist mir unbekannt.
Genau so wie die Landschaft,
durch die er führt,
und wie der Himmel,
der sich über ihm erstreckt.
Weg, Landschaft und Himmel sind mir fremd.
Dennoch gehe ich.
Wie viele!
Wie alle!
Und wie sie … verunsichert, tastend,
abwartend, unschlüssig, zögernd,
manchmal vorgebend, schon vieles zu begreifen,
und dann wieder ganz im Dunkeln.
Doch ich gehe weiter.
Ich kann weitergehen,
weil so viele vor mir
– obwohl damals auch auf fremde Wege gedrängt –
uneigennützig
das Ganze im Auge behielten
und das Gemeinwohl suchten.
Weil sie das Unfassbare nicht fassen wollten,
es aber wohl bedachten.
Weil sie Psalmen schrieben
beim Umbrechen ihrer Zeit.
Weil sie all das schufen,
was mir heute
das Gehen ermöglicht
…. selbst auf unbekanntem Weg.
Weg, Landschaft und Himmel sind mir fremd.
Sie verwischen die früheren Wege,
zerfurchen die alte Landschaft,
verfärben den einst so vertrauten Himmel.
So gehe ich.
Der Weg, vermuten einige,
führe in ein fremdes Gebirge
und dort über einen hoch gelegenen Pass.
Das könnte dauern, sage ich mir.
Versuche, meine Kräfte zu schonen.
Erwäge eine neue Einteilung des Tages.
Lege überschaubare Etappen fest.
Wann kommt das Gebirge?
Zeichnet es sich dort in der Ferne schon ab,
unter jener aufgestockten Wolkenfracht?
Sind dort drüben schon Gipfel erkennbar,
oder sind es nur weisse Farben
auf der unbegrenzten Leinwand des Horizonts?
Und wann käme, in diesem Gebirge,
der Pass, der hinüberführte
in eine neu befriedete Landschaft,
die schon frühlingshaft blüht?
Ich gehe weiter.
Leicht distanziert von den andern
(neue Regeln sind in Kraft!)
und doch, wie ich hoffe,
mit den andern trotz allem auch.
Ich gehe,
vertrauend auf die Gemeinschaft mit Jenem,
der seit je mit allen gegangen und gewandert ist,
– mit Jener, die weiss,
dass Zeiten sich wenden,
dass Landschaften ihre Vertrautheit verlieren
wie Bäume ihre Blätter im Herbst,
– mit Jenem, der mit seinem Himmel
die Fragmente unserer Himmel und Horizonte umspannt,
– mit Jener,
die es versteht,
zu weinen mit den Weinenden,
und fröhlich zu sein mit denen, die glücklich sind,
– mit Jenem, der das noch nicht kartographierte
Gebirge nicht unterschätzt,
und der es doch
an unserer Seite
ohne Zögern
betritt.
Herzlich, Ihr Pfarrer Martin Zingg
Wie es mir geht (ein fiktives Gespräch zuhause)
– im März 2020
…?
wie es mir geht…?
nicht schlecht, danke der nachfrage…
ein schwacher hustenreiz…
leichte magen-darm-probleme…
… und gelenkschmerzen…
???
… ja,
natürlich habe ich
auf der webseite des BAG
die liste der symptome angeschaut
… und wissen sie was,
es kann nicht ausgeschlossen werden,
dass ich mich mit dem Coronavirus
angesteckt habe!
!!!!!!
keine angst,
mir geht es gut!
ich halte mich jederzeit an
Hans Dieter Hüschs
übertragung des psalms 126:
Ich bin vergnügt
erlöst
befreit
Gott nahm in seine Hände
Meine Zeit
Mein Fühlen Denken
Hören Sagen
Mein Triumphieren
Und Verzagen
Das Elend
Und die Zärtlichkeit.
Was macht, dass ich so fröhlich bin
In meinem kleinen Reich
Ich sing und tanze her und hin
Vom Kindbett bis zur Leich
Was macht, dass ich so furchtlos bin
An vielen dunklen Tagen
Es kommt ein Geist in meinen Sinn
Will mich durchs Leben tragen
Was macht, dass ich so unbeschwert
Und mich kein Trübsinn hält
Weil mich mein Gott das Lachen lehrt
wohl über alle Welt
Ueli Kindlimann, 23.03.2020
Weite
Versperrter Zugang
Einschränkung und Verzicht
Blick nach innen gerichtet
Freiheit
Diese Worte, als “Elfchen” verfasst, kommen mir bei der Betrachtung dieses Bildes in den Sinn. Das Foto entstand Anfang Januar auf einer Wanderung in der Nähe des Weissensteins SO. Damals genossen wir die umwerfende Aussicht, die klare Luft, die klirrende, glitzernde Kälte, dankbar, dem Grau des Nebels für kurze Zeit entfliehen zu können.
Heute, wo wir uns alle in einer noch nie dagewesenen Situation befinden und plötzlich mit grossen Herausforderungen konfrontiert sind, welche unsere persönlichen Freiheiten drastisch einschränken, erkenne ich in dieser Bildkomposition etwas wunderbar Positives: Der Zaun dient unserem Schutz, wir sollten ihn möglichst nicht umgehen, trotz der frühlingshaft verlockenden Freiheit dahinter. Aber er ist nicht als Mauer hochgezogen, sondern durchlässig, so dass wir hindurchspähen können. Wir tun dies zum Beispiel mit der wachsenden Solidarität, die uns verbindet und zusammenhält.
Unsere innere Freiheit bleibt uneingeschränkt, dafür spricht der Raum auf unserer Seite des Zauns. Die aufgezwungenen Einschränkungen lassen uns die Möglichkeit, Zeit für uns selbst zu finden, zu entschleunigen. Diese schöpferische Pause können wir nutzen, um kreativ zu werden für die sich verändernde Bewältigung und Gestaltung des Alltags. Lassen wir uns also inspirieren, richten wir den Blick auf unsere innere Freiheit und lassen entstehen, was sonst keinen Platz hat im hektischen Alltag unserer «normalen» Welt. Und wer weiss, welche Talente plötzlich zum Vorschein kommen dürfen? Vielleicht versuchen Sie es mit dem Kreieren von Elfchen?
Susanne Widmer, Gemeindeanimatorin i.A.
«Ich habe Gutes und Böses erfahren …»
Christine Busta (1915 – 1987)
„Ich habe Gutes und Böses erfahren wie alle Menschen und schlimme Verstörungen erlitten. Und ich könnte mir vorstellen, dass mir noch schlimmere nicht erspart bleiben werden. Aber ich glaube dennoch, dass täglich und stündlich im wörtlichen Sinn des Wortes ‘namenlos’ viel Gutes geschieht, mehr Gutes, als die Lästerer wahrhaben wollen. Diesen Anonymen, die das ächzende Getriebe der Welt mit dem Öl ihrer unbedankten Ausdauer, Geduld, Treue und Hoffnung noch immer in Gang halten, gehört trotz unvermeidlicher Irritationen meine unwandelbare Liebe und Dankbarkeit. (…) Auch in den heftigsten Krisen der Isolation hat mich kaum je das Bewusstsein verlassen, in vieler Schuld zu stehen.”
Mit der Dichterin Christine Busta bin ich schon recht lange unterwegs. Ich habe sie natürlich nicht persönlich gekannt, doch dank ihrer Gedichte und Texte sind eben doch so etwas wie gemeinsame Wege möglich. Und das ist hilfreich. Gerade auch in diesem Frühjahr 2020.
Christa Busta führt mir vor Augen, was es bedeutet, zu versuchen, mit fremdbestimmten Zeiten zurecht zu kommen und sich – irgendwie – darauf einzulassen. Besonders schätze ich, dass sie schon damals an «diese Anonymen» dachte, die das «ächzende Getriebe der Welt … noch immer in Gang halten.» Und wer sind «diese Anonymen» heute, wenn nicht die unzähligen Krankenpfleger, die Ärztinnen, die Notdienstleistenden, die Kassiererinnen in den Lebensmittelgeschäften, die Ingenieurinnen und Mitarbeiter im Infrastrukturbereich, die Mitarbeitenden in den Spitex-Diensten usw.? Sie wachen darüber, dass wir selbst im Ausnahmezustand zuversichtlich unterwegs bleiben dürfen. Darum ist es schon richtig, wenn ihnen noch heute unsere «unwandelbare Liebe und Dankbarkeit» gehört. Und so dürfte auch uns sogar «in den heftigsten Krisen der Isolation … kaum je das Bewusstsein verlassen, in vieler Schuld zu stehen.»
In Verbundenheit, Ihr Pfarrer Martin Zingg
Machen diese Tage nicht auch Mut?
Einen Text unter der Rubrik «In schweren Zeiten» zu verfassen, so wurde mir aufgetragen. Und schon juckte es mich in den Fingern, eine bissige Antwort zu verfassen, dass die Wortwahl der Rubrik ja doch eher einem Beileidsschreiben denn einem aufbauenden Text zustünde, und das wäre ja wohl nicht der Sinn der Sache, und überhaupt: sind es denn überhaupt «schwere Zeiten»?
Ja, denken Sie jetzt, da hat der festangestellte Kirchenmusiker gut reden, sein Lohn ist gesichert. Und recht haben Sie, ich gehöre tatsächlich zu dem Teil der Gesellschaft, der von dieser Krise mit Zwangsurlaub quasi profitiert. Und natürlich sind es schwere Zeiten für alle Familien mit Kindern, die ihren ganzen Tagesablauf neu organisieren mussten, für alle Selbstständigerwerbenden, die ihre Geschäfte schliessen mussten, für alle Senioren, die zu Hause bleiben sollten.
Aber haben Ihnen die letzten Tage nicht auch Mut gemacht? Wenn nicht wir in der reichen Schweiz, wer dann soll diese Krise gut überstehen? Stossen Sie nicht auch überall auf Kreativität, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit? Und haben Sie nicht auch das Gefühl, dass wir mit dem Krisenmanagement unseres Staates sehr zufrieden sein dürfen?
Ich bin überzeugt, dass diese Krise im Nachhinein auch viel Gutes hinterlassen wird, und ich freue mich und bin gespannt auf all die Effekte, die da zutagetreten werden, an die wir jetzt noch gar nicht denken. Aber nicht, dass Sie mich falsch verstehen, einen Sinn hat so eine Pandemie freilich nicht! Das wäre zynisch gegenüber all denen, die jetzt, in diesem Moment ihr Leben für unsere Gesundheit riskieren. Und darum möchte ich mit einem ganz grossen Dank an alle schliessen, für die es eben auch keine schweren, sondern viel mehr dramatische Zeiten sind. Danke euch allen, die ihr in Spitälern und Heimen, in den Arztpraxen, im Lebensmittelladen und in Uniformen steht und für uns da seid!
Thomas Jäggi, Organist
Jeden Morgen Ballast abwerfen
Eine gedämpfte Stimmung breitet sich aus, eine leichte Bedrückung. Alles sei verlangsamt, hören wir jetzt oft. Die Pandemiemassnahmen wirken wie eine Beruhigungspille. Das social distancing (der Sicherheitsabstand zwischen Dir und mir) legt sich wie Isolierwatte auf das Leben.
Gleichzeitig wühlt die Situation auf; sie zerrt an den Nerven. Klare Gedanken fallen schwer – wir haben den Kopf schon voll. Gerne würde ich mich kräftig schütteln wie ein Hund, der aus dem Wasser kommt. Das Wasser spritzt in alle Richtungen und mit ihm der ganze Ballast.
Martin Luther hatte einen geistigen Schüttler, um jeden Morgen Ballast abzuwerfen. Ich empfehle Ihnen: öffnen Sie das Fenster, stellen Sie sich davor, atmen Sie tief Luft durch und lesen Sie den folgenden Text mit normaler Sprechstimme:
Ich danke dir, mein himmlischer Vater,
durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn,
dass du mich diese Nacht vor Schaden und Gefahr behütet hast,
und bitte dich,
du wollest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Übel,
dass dir all mein Tun und Leben gefalle;
denn ich befehle mich, meinen Leib und meine Seele und alles in deine Hände.
Dein heiliger Engel sei mit mir,
dass der böse Feind keine Macht über mich gewinne.
Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist! Amen.
Sie finden den Morgensegen Luthers auch im Reformierten Gesangbuch unter Nr. 559.
Ich wünsche Ihnen einen frischen neuen Tag.
Markus Zeifang, Vikar
Senfkorn Hoffnung: Medizin gegen Unsicherheit, täglich einzunehmen, Nebenwirkungen: Kraft, Besonnenheit, Liebe
Gegenwart – 21. März 2020
es fing an mit einem heuschnupfenanfall,
vorgestern,
das kenne ich
dann kam ein rumpeln im magen und durchfall,
gestern,
das kenne ich
dann kam am abend der husten,
gestern,
das kenne ich
und heute nacht dann die grippesymptome:
schüttelfrost und schweissausbrüche,
das kenne ich doch auch
heute steht plötzlich die unsicherheit im raum:
es kann nicht mehr ausgeschlossen werden,
dass mich das Corona-Virus angesprungen hat…
Dagegen-wart – 21. März 2020
klein fängt es an,
mit einem senfkorn,
das Reich Gottes…
… das kenn’ich doch…
… und gross wird es, das Reich Gottes,
… und damit die hoffnung!
nachzulesen bei:
Matthäusevangelium, Kap 13, Verse 31+32
Ein anderes Gleichnis legte Jesus ihnen vor: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn, das einer nahm und auf seinen Acker säte. Es ist zwar das kleinste unter allen Samenkörnern, aber sobald es hochgewachsen ist, ist es grösser als alle anderen Gewächse und wird ein Baum, so dass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten.
Markusevangelium, Kapitel 4, Verse 30-32
Und Jesus sprach: Wie sollen wir das Reich Gottes abbilden? In welchem Gleichnis sollen wir es darstellen?
Es ist wie ein Senfkorn, das kleinste unter allen Samenkörnern auf Erden, das in die Erde gesät wird. Ist es gesät, geht es auf und wird grösser als alle anderen Gewächse und treibt so grosse Zweige, dass in seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können.
Lukasevangelium, Kapitel 13, Verse 18+19
Nun sprach Jesus: Wem ist das Reich Gottes gleich, womit soll ich es vergleichen?
Es ist einem Senfkorn gleich, das einer nahm und in seinen Garten säte. Und es wuchs und wurde zu einem Baum, und die Vögel des Himmels nisteten in seinen Zweigen.
klein fängt er an,
mein glaube,
das kenne ich
aber ihm ist grosses verheissen,
denn Ostern sagt mir:
DAS LEBEN SIEGT!
Ueli Kindlimann, am 21.03.2020
Kaffee auf dem Balkon
Ich sitze mit einer Tasse Kaffee auf dem Balkon und blinzle in die warme Frühlingssonne. Fast schon T-Shirtwetter, denke ich, fast wie Ferien in diesem Augenblick.
Es ist ein Moment der Ruhe in Tagen voller Hektik, voller Betriebsamkeit. Ich hätte nicht gedacht, wie viel Arbeit daraus entsteht, seine Arbeit nicht machen zu können oder eventuell nicht machen zu können. Absagen, verschieben… ich begegne sehr viel Verständnis in diesen Tagen, das tut gut und macht mir klar, dass doch wirklich in allem Schlechten auch etwas Gutes stecken kann.
Ich erlebe diesen Moment in der Sonne mit dem Kaffee sehr bewusst. Es geht mir gut, ich kann heute draussen in der Sonne sitzen, kann Kaffee trinken. Vor einer Woche, da bin ich sicher, hätte ich das weniger geschätzt. Ich merke, das reduziete Leben tut mir gut, im Wissen, dass ich Vieles jetzt gerade nicht haben kann, bekommt das, was geht, eine grössere Bedeutung. Ich werde erstaunlicherweise nicht unzufriedener, sondern dankbar und zufrieden für das, was ich habe, für das, was ich tun kann, und ich bin mit meinen Gedanken näher bei den Menschen meiner Umgebung. Die Gedanken an das, was ich will, was ich tun muss, spielen eine geringere Rolle – das Ich tritt in den Hintergrund. Spannend.
Ihre Pfarrerin Kristin Lamprecht
Heute gingen mir die bekannten Worte durch den Kopf:
Ich glaube an die Sonne, auch wenn sie nicht scheint.
Ich glaube an die Liebe, auch wenn ich sie nicht fühle.
Ich glaube an Gott, auch wenn er schweigt.
Die Sonne scheint in diesen Tagen jetzt, da gibt es nichts zu klagen. Und auch die Liebe kann ich spüren. Die Menschen sind sogar ausnehmend freundlich. Wir reden miteinander – sogar wenn wir uns gar nicht kennen, fragen nach am Telefon, wie der andere den Zustand des Lockdowns erlebt. Und wir nehmen uns Zeit, einander zuzuhören. Einfach so, mitten am Tag.
Da und dort kommt unerwartet ein Lächeln geflogen, von der anderen Seite einer Fensterscheibe. Richtige Glücksmomente sind das. In all dem Verwirrenden, das ich auch erlebe, in all der Verunsicherung, die ich bei mir und andern spüre. Und Gott? Ja, vielleicht ist jetzt auch für Gott etwas mehr Zeit und Raum und Verständnis…?

Es war der 13. März 2020, die Straßen waren leer, die Geschäfte geschlossen, die Leute kamen nicht mehr raus.
Aber der Frühling 🌱wusste nichts
Und die Blumen 🌸blühten weiter
Und die Sonne☀ schien
Und die Schwalben 🐦 kamen zurück
Und der Himmel 🌌 färbte sich rosa und blau
Morgens kneteten wir Brot 🍞 und backten Kuchen 🍰
Es wurde immer später dunkel und morgens kam das Licht 💡 früh durch die Fenster
Es war der 13. März 2020
Die Jugendlichen studierten online 👩💻
Und am Nachmittag spielte man unvermeidlich im Haus 🏡
Es war das Jahr, in dem man nur zum Einkaufen 🛒 raus gehen konnte
Alles wurde geschlossen
Auch die Büros, Hotels und Bars
Die Armee fing an, Ausgänge und Grenzen zu bewachen
Es gab nicht genügend Platz mehr für alle in Krankenhäusern 🏥
Und die Leute wurden krank
Aber der Frühling 🌱 wusste es nicht und er trieb Sprossen
Es war der 13. März 2020
Alle wurden unter Quarantäne 🦠 gestellt
Großeltern, Familien und Jugendliche
der Gesundheit wegen
Dann wurde die Angst echt
Und die Tage sahen alle gleich aus
Aber der Frühling 🌱 wusste es nicht, und die Rosen 🌹 blühten weiter
Es wurde wieder das Vergnügen entdeckt, zusammen zu essen
zu schreiben und zu lesen, man liest der Fantasie freien Lauf und aus Langeweile wurde Kreativität👨🎨
Manche lernten eine neue Sprache
Manche entdeckten die Kunst
Studenten büffelten für die letzte Prüfung, welche noch für den Abschluss fehlte
Der eine merkte, dass er getrennt vom Leben war und fand zu sich zurück
Der andere hatte aufgehört, mit Ignoranz zu verhandeln
Der eine hat das Büro geschlossen 🚫 und ein Gasthaus mit nur vier Personen eröffnet
Der andere verließ seine Freundin 💔 , um der Welt die Liebe zum besten Freund zu gestehen
Es gab jemanden, der Arzt 🥼 wurde, um jedem zu helfen, der es brauchte
Es war das Jahr, in dem man die Bedeutung der Gesundheit 👩⚕ und des wahren Leidens erkannte und vielleicht auch seine Berufung
Das Jahr, in dem die Welt aufzuhören schien
Und die Wirtschaft den Bach runterging,
aber sie hörte nicht auf, sie erfand sich neu
Und der Frühling wusste es nicht, und die Blumen ließen den Platz den Früchten
Und dann kam der Tag der Befreiung ❣
Wir waren im Fernsehen und der Premierminister sagte zu allen, dass der Notfall vorbei sei
Und dass das Virus 🦠 verloren hatte
Dass alle zusammen gewonnen hatten
Und dann gingen wir auf die Straße
Mit Tränen 😭 in den Augen
Ohne Masken 😷 und Handschuhe
Umarmten unseren Nachbarn 🤍
Als wäre er unser Bruder
Und da kam der Sommer
Weil der Frühling 🌱 es nicht wusste
Und er war weiterhin dabei
Trotz allem
Trotz des Virus
Trotz der Angst
Trotz des Todes
Weil der Frühling es nicht wusste
Und lehrte alle
Die Kraft des Lebens.
❣🌸🌹🌱
Urheber leider unbekannt, aber der Text zu schön, um nicht zu teilen. Gesehen, kopiert & geteilt.
Ihre Kristin Lamprecht, Pfarrerin