«Fürwahr, ich tue etwas Neues: schon sprosst es auf. Erkennt ihr es nicht?»
(Jes. 43,19)
Dies war eines der Schlussworte der öffentlichen Informationsveranstaltung am 23. März 2022 zum Prozess der Gemeindeentwicklung, einer Veranstaltung mit Meilenstein-Charakter im Zeichen von Zuversicht und Aufbruch. Ein Weg, der vor fast fünf Jahren begann, mündet in der Grundfrage, wie Kirche im Kontext der Megatrends heute agieren soll oder: Wie passen Kirche und Individualisierung zusammen? Und ja, es passt ganz wunderbar, fordert jedoch von allen Beteiligten, einen Teil der Verantwortung zu tragen.
Der grösste Teil des Abends gehörte den Inhalten und Schwerpunkten, denen sich die Kirchgemeinde Baden plus zukünftig verpflichtet, doch kam auch die Struktur nicht zu kurz, die für viele eine Herzensangelegenheit ist, denn es geht um die Stellung und Identität der Teilkirchgemeinden.
Von der Angebotskirche zur Beteiligungs- und Ermöglichungskultur
Pfarrerin Kristin Lamprecht und Sozialdiakon Branko Radosavljevic (in Ausbildung) stellten die inhaltlichen Schwerpunkte und Ansätze anschaulich dar.
Sei es beim Hauptschwerpunkt Kinder, Jugend und Familien, sei es in der Diakonie, in der Seelsorge, bei Gottesdiensten und Kasualien, sei es zu Angeboten für Erwachsene (inklusive Senioren): Die Kirche möchte den Menschen im Kontext von Heute begegnen, möchte sie involvieren, für sie da sein. Möchte vor allem den individuellen Bedürfnissen gerecht werden. Kirchliche Feiern und Rituale «von der Stange» werden nach und nach individuelleren Angeboten und Formen weichen, die den Bedürfnissen der Gemeindemitglieder entsprechen. Individuell heisst jedoch auch, dass die Gemeinde gefordert ist: Sich einbringen, Bedürfnisse äussern, in Dialog treten und damit zum Nährboden werden für gelebte Kirche und gelebte Gemeinschaft.
Bedürfnisse äussern, Bedürfnisse wahrnehmen, dafür einstehen. Das klingt toll und vielversprechend, heisst jedoch auch Verantwortung übernehmen, heisst, dass die Konsumation, das Zurücklehnen und Empfangen nach wie vor zwar möglich, aber nicht mehr die einzige Form ist: «daneben stehen und dagegen sein» wäre eine verpasste Chance.
Dies kommt einem substanziellen Kulturwandel gleich, dessen belebende Energie spürbar ist. Doch die Arbeit beginnt jetzt erst!
Es bleibt alles anders
Wenn auch die organisatorische Sicht, das «Wie» für die Kirchgemeinde eine untergeordnete Rolle spielen sollte, hat genau dieses Thema in der Vergangenheit immer wieder verunsichert und Fragen aufgeworfen. Denn das Bedürfnis nach der gelebten Gemeinschaft in der eigenen (Teilkirch-)Gemeinde wurde wiederholt zum Ausdruck gebracht und wird von der Kirchenpflege gewürdigt. Keine Rede vom grossen Kahn Baden, in dessen Schatten die anderen mitschwimmen. Vier gleichwertige Teilkirchgemeinden und Angebote vor Ort, überschaubare Rahmen und vertraute Gesichter, nur so können Austausch und Dialog, kann gelebte Gemeinschaft nachhaltig funktionieren. Der Kirchenpflege und dem Konvent der Ordinierten Dienste ist es ein grosses Anliegen, dies gemeinsam zu ermöglichen. Gleichzeitig bleibt der wirtschaftliche Druck und die Kernfrage: Wie mit schwindenden Mitteln attraktive Angebote bereitstellen?
Auf dem Nährboden einer sich involvierenden Gemeinde und als Weiterführung der heutigen Teilkirchgemeinden mit eigener Identität sollen eine gemeinsame Planung und gemeinsame Werte und Themen sowie ein reger Austausch zwischen den Teilkirchgemeinden das Fundament schaffen für Gemeinschaft, Freiräume und individuelle Entwicklung einerseits, für schlanke Abläufe und Synergien andererseits.
Aufbruch und Aufbrechen
Marcel Hauser, Organisationsberater und Autor, zeigt seine Zuversicht, dass die präsentierten Ideen und Inhalte Substanz haben und nachhaltig wirken werden. Baden hat im Laufe der letzten Jahre wesentliche Entwicklungsschritte vollzogen:
- Es wurden Leitlinien für die strategische Entwicklung definiert, wie z.B. Partizipation und Niederschwelligkeit oder Diversität und Zusammenhalt.
- Es ist gelungen, die einzelnen Arbeitsgebiete zu priorisieren und zu definieren, welche Bereiche zukünftig gestärkt werden sollen.
- Es besteht Einigkeit über die Schwerpunkte innerhalb der Arbeitsbereiche, z.B. konkrete Ziele für Kinder, Jugend und Familie oder für Gottesdienste.
- Die Gemeindestruktur ist definiert, ebenso das Vorgehen bezüglich der Gesamtplanung, wo die Beteiligung der Gemeinde und deren Bedürfnisse eine wesentliche Rolle spielen werden.
Damit wurden sehr gute Voraussetzungen für eine Weiterentwicklung im Kontext der Megatrends geschaffen und die Zeit des Aufbruchs in zweierlei Hinsicht ist gekommen:
Aufbruch im Sinne eines Neubeginns auf das hin, was erarbeitet und präsentiert wurde. Sich auf die Reise machen, auch Unsicherheiten aushalten.
Dies erfordert auch ein Auf-brechen von Bestehendem. Das Gute und Nützliche mitnehmend, das weniger hilfreiche verabschiedend.
Hauser zeigt sich ausserdem zuversichtlich, dass für Teilkirchgemeinden und Gesamtgemeinde Baden plus der Weg erfolgversprechend ist. Er beobachtet Gemeinschaft und gegenseitige Unterstützung, so können Vertrauen zueinander und Vertrauen für die neuen Wege entstehen. In Gesprächen hat er das allen gemeinsame Bewusstsein und den Wunsch nach Aufbruch und Neuanfang klar wahrgenommen. Ausserdem erinnert er an die Zusage Gottes, der Neues spriessen lässt, Energie schenkt und Wege erkennbar macht:
«Fürwahr, ich tue etwas Neues: schon sprosst es auf. Erkennt ihr es nicht?»
(Jesaja 43, 19)
So fordert Marcel Hauser mit deutlichen Worten Aufbruch statt Resignation von allen.
Nächste Schritte – beteiligen Sie sich!
Bernhard Bösch lädt die Gemeinde ein, sich bei der Gestaltung des Weges zu beteiligen und Stellung zu nehmen. Zunächst im Rahmen einer Vernehmlassung zu folgenden Fragen:
Zu den Inhalten:
Stimmen die inhaltlichen Schwerpunkte auch für Sie? Wenn nicht, was wäre für Sie wichtig? Was wäre zu ergänzen?
Zur Struktur:
Ist für Sie die geplante Struktur klar und durchführbar? Wenn nicht, wo sehen Sie die grössten Herausforderungen?
Zur Beteiligung:
Gibt es für das Gelingen dringend benötigte Ressourcen, Kompetenzen und Fähigkeiten in unserer Kirchgemeinde und ihrem Umfeld? Wenn ja, welche wären das?
Gibt es einen thematischen Bereich, bei dem Sie sich vorstellen könnten mitzuarbeiten? Wenn ja, welcher wäre das?
Gibt es bei den Megatrends Agilität und Digitalisierung Bereiche, in denen Sie sich gern einbringen würden? Wenn ja, wie und in welchem Bereich?
Die Vernehmlassung endete am 8. April 2022 und die Resultate werden aktuell konsolidiert. In Kürze wird darüber berichtet werden.
Die Reformierte Kirche Baden plus befindet sich im Aufbruch und Aufbrechen. Trotz allem was bereits geleistet und erreicht, auch gewürdigt wurde: Die eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt. Bereits für 2023 sollen erste Änderungen sichtbar und nach und nach der Wandel in allen Aspekten vollzogen werden. Die Strategie zu den Liegenschaften soll nachgelagert (nach ca. zwei Jahren) auf dem gesunden Acker entwickelt werden, der nun bestellt wurde.
Der Abend wurde abgerundet durch angeregte Fragen im Plenum sowie durch interessante weiterführende Gespräche und Impulse bei einem Glas Wein.
Die präsentierten Informationen stehen hier zur Verfügung.
“Und allem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.” (aus «Stufen», Hermann Hesse)